6.9.06

Komplexität steuern

Gute Führung zeichnet sich durch die Einsicht in komplexe Systeme aus. Deshalb muss die Elite von morgen lernen, Komplexität zu managen.
Leichter gesagt, als getan. Fredmund Malik schildert in der 'WELT' seine Erkenntnisse:

Wie müssen die Organisationen des 21. Jahrhunderts funktionieren? Wie nützlich ist Wissen von heute für Karrieren von morgen? Wer Fragen solcher Art nicht stellt, hat kaum Chancen, sich richtig zu orientieren und wird der Masse folgen. Für die Zukunft von Young Professionals wird das nicht der Weg zu Karriere und Spitzenpositionen sein. Es allen Anderen gleich zu tun, ist nur bei linearer Entwicklung Erfolg versprechend. In Phasen grundlegender Veränderungen muss man sich in zwei oder auch mehreren Welten gleichzeitig bewegen können. Das gilt besonders für die entstehende Wissensgesellschaft, die weiter vorangeschritten ist, als viele es sehen können oder wahrhaben wollen.

Manager in Europa und Amerika nehmen die Welt vorwiegend in Kategorien von Wirtschaft und Finanzen wahr. So haben sie es gelernt. In China hingegen denken die Topleute anders. Die Bildungselite des Landes hat erkannt, dass hinter wirtschaftlichen Erscheinungsformen wie Produkten, Marken, Cash Flow, Gewinn und Shareholdervalue eine andere Realitätsdimension liegt, nämlich Komplexität. Zwar nicht die Masse, wohl aber die Elite wird im Umgang mit Komplexität trainiert. Sie lernt Komplexität zu managen.

Dafür sind die Wirtschaftswissenschaften, wie sie heute gelehrt werden, kaum brauchbar. Die Quelle relevanter Erkenntnisse für konkurrenz- und leistungsfähige Organisationen sind Bionik und Kybernetik. Bionik ist die Verbindung von Biologie und Technik, und Kybernetik lehrt die Gesetze des Funktionierens komplexer Systeme. Beide zusammen erschließen eine neue Ebene der Wahrnehmung von Organisation und des Denkens über sie.

Die direktesten Auswirkungen auf die Gestaltung, Entwicklung und Lenkung der modernen Organisationen kommen aus der Kybernetik. Sie ist die eigentliche Wissenschaft von der Komplexität.

Komplexität hat zwei Seiten, die für wirksames Management gleichermaßen wichtig sind. Die negative ist, dass falscher Umgang mit hoher Komplexität zum Kollaps von Systemen führt, wenn sie an die Grenze ihrer Handhabbarkeit kommen. Die positive Seite ist, dass Komplexität die Voraussetzung für alle höheren Leistungen von Organismen ist.
Dazu gehören Adaptivität, Lernen, Selbstregulierung und Selbstorganisation. Diese Fähigkeiten sind mit der Evolution von Nervensystemen und Gehirnen in die Welt gekommen. Sie sind die besten Kontrollsysteme, die die Natur hervorgebracht hat. In den fortschrittlichsten Unternehmen wird erkannt, dass es Fähigkeiten dieser Art sind, die den Wettbewerb entscheiden. Noch wichtiger ist diese Erkenntnis für die Gesellschaft als Ganzes, für deren wirtschaftliche, politische und soziale Stabilität bei gleichzeitiger Fähigkeit zu Innovation und nachhaltigem Wandel.

Nervensystemen nachgebildete Managementsysteme sind das optimale Mittel, um die Dauerbrennerprobleme jeder Organisation wirksam zu lösen, die heute überall scheinbar unlösbare Fragen aufwerfen. Das sind die existenziellen Polaritäten, die jedes Systems zu balancieren hat, wenn es in einem umfassenden Sinne funktionsfähig, gar lebensfähig sein soll: Dezentralität und Zentralität, Bewahrung und Wandel, heutiges Geschäft und neues Geschäft, Effizienz und Effektivität, Operation und Innovation, Größe und Flexibilität, Konzentration und Diversifikation, Einheit und Vielfalt, Operative Einheiten und Konzerngesamheit, Innen und Außen, Gegenwart und Zukunft.
Den vollständigen Artikel finden Sie in der WELT vom 02.09.2006 (klicken Sie den Link auf der Überschrift).