18.9.06

Kooperation - der genetisch bessere Weg

Das Leben sollte so gestaltet sein, dass sich die im Menschen angelegten Potenziale optimal entwickeln können. Die moderne Neurobiologie ließ die Konturen eines Menschen hervortreten, der von Natur aus, von den Genen bis zum Alltagsverhalten, auf Kooperation hin "konstruiert" zu sein scheint.

Dies kann nicht ohne Konsequenzen bleiben für die Art, wie Menschen ihr Zusammenleben gestalten. Auf gelingende Beziehungen gerichtete Formen des Umgangs in Wirtschaft und Gesellschaft werden auf längere Sicht aber nur dann Attraktion und Überzeugungskraft entfalten, wenn die empirisch gesicherten, das heißt auf wissenschaftlichen Beobachtungen basierenden Erkenntnisse zum Thema Kooperation vertieft und vermehrt werden.

Die Ergebnisse der Spieltheorie sind eindeutig.

Die universale Erfolgsstrategie lautet:

1. Sei freundlich, das heißt, sei als Erster bereit zu kooperieren;
2. Schlage zurück bei Unfreundlichkeit, reagiere auf den Versuch, Dich zu übervorteilen;
3. Sei nicht nachtragend, sondern versuche es, nachdem du zurückgeschlagen hast, nach angemessener Zeit erneut mit Kooperation!

Wenn Anerkennung, Zugewandtheit und Vertrauen der neurobiologische Treibstoff der Motivationssysteme sind: Woher kommt dieser Treibstoff?
Es bedarf keiner tiefgründigen Analysen, um zu erkennen, dass er dem Menschen nicht auf dem Tablett serviert wird.

Damit rückt ein "Phänomen" in unser Blickfeld: die zwischenmenschliche Beziehung. Sie ist die Quelle, aus der sich Anerkennung, Vertrauen und Motivation herleiten.

Für eine gelingende Beziehungsgestaltung lassen sich - unabhängig von der Art der Beziehung - fünf wesentliche Voraussetzungen beschreiben:
1. Sehen und gesehen werden,
2. Gemeinsame Aufmerksamkeit gegenüber etwas Drittem,
3. Emotionale Resonanz,
4. Gemeinsames Handeln und
5. das wechselseitige Verstehen von Motiven und Absichten.

Sehen und gesehen werden: Menschen wollen - auch aus neurobiologischer Sicht - als Person wahrgenommen werden. Allein dieser Umstand erzeugt Motivation.
Gemeinsame Aufmerksamkeit: Sich dem zuzuwenden, wofür sich eine andere Person interessiert, ist die einfachste Form der Anteilnahme und hat ein erhebliches Potenzial, Verbindung herzustellen. Eine Kollegin (oder Mitarbeiterin) möchte einen Kollegen (oder Vorgesetzten) auf eine Unterlage hinweisen, in der ihr etwas bedeutsam erscheint. Geht er auf diesen Hinweis nicht ein, wird ein solches Verhalten als Geringschätzung erlebt. Vorgesetzte, die in Besprechungen nicht konzentriert zuhören können, was Mitarbeiter vorbringen, verlieren deren Loyalität.
Emotionale Resonanz bedeutet die Fähigkeit, zu einem gewissen Grade auf die Stimmung eines anderen einschwingen oder andere mit der eigenen Stimmung anstecken zu können. Resonanz lässt sich nicht erzwingen.
Wem diese Fähigkeit nicht von Natur aus geschenkt ist, kann man durch etwas innere Achtsamkeit zumindest verhindern, dass durch Nichtbeachtung dieses Elements in Beziehungen Schaden entsteht.

Gemeinsames Handeln: Etwas ganz konkret miteinander zu machen ist ein meist völlig unterschätzter, tatsächlich aber in hohem Maße Beziehung stiftender Aspekt. Mit seinen Kollegen, dem Partner oder mit Kindern konkret etwas zu unternehmen hinterlässt ein nachhaltiges Beziehungs-Engramm. Dies ist der Grund, warum sich Bequemlichkeit mit guter Beziehungsgestaltung grundsätzlich schlecht verträgt.

Dieser Text stammt von dem Mediziner und Professor Joachim Bauer, der damit sein neues Buch 'Prinzip Menschlichkeit' bewirbt. Die meisten Erkenntnisse sind Fachleuten (hoffentlich) schon seit längerem bekannt. Bauer gebührt allerdings das Verdienst, Erkenntnisse aus Neurobiologie und Psychologie wissenschaftlich fundiert miteinander zu verbinden.

Ich empfehle seine Bücher nachdrücklich und wünsche Ihnen eine gute Woche.