29.8.06

Chinesische Träume

Das Marktforschungsunternehmen Gallup hat zehn Jahre lang chinesische Verbraucher befragt und beobachtet, um ihre Interessen und Wünsche auszukundschaften.

Gallup hat insgesamt vier Kernthesen überprüft und ist zu folgenden Ergebnissen gekommen:

1. Das oberste Ziel chinesischer Arbeitnehmer sei, hart zu arbeiten und reich zu werden. Auch wenn dies nach wie vor eine populäre Einstellung ist, wird sie inzwischen nur noch von 53% der Chinesen vertreten. 1994 waren es noch 68%.
Insbesondere in den Ballungsgebieten gewinnen Zufriedenheit und Selbstverwirklichung schnell an Bedeutung.

2. Chinesische Arbeitnehmer seien sehr engagiert. Die Bilder von hoch motivierten Armeen von chinesischen Arbeitern, die durch die Fabriktore strömen, scheinen eher westlichen Alpträumen entsprungen zu sein als die Wirklichkeit wiederzugeben.
Denn die meisten Chinesen (68%) interessieren sich überhaupt nicht für ihre eigentliche Arbeit. Und 20% geben an, dass Sie ihre Arbeit sogar hassen.

3. Chinesische Konsumenten hätten jetzt viel Geld zum Ausgeben. Fakt ist, dass im Jahr 2004 das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Haushaltes bei 1.800 Dollar lag. Und sich fast alle Chinesen - unabhängig ihrer realen Einkommenschicht - unzufrieden mit ihrer finanziellen Situation zeigen.

4. Der größte Markt in China seien einfache Haushaltsgeräte. Auch wenn sich die Verkaufszahlen für einfache Haushaltgeräte für jeden international agierenden Konzern verlockend anhören, ist dies einzig und alleine eine Funktion der schieren Marktgröße und nicht des Marktwachstums. Denn hier sind überraschender Weise keine Produkte gefragt, die das tägliche Arbeitsleben erleichtern sondern vor allem Produkte, die Spaß und Unterhaltung versprechen.

Nach meinen eigenen Erfahrungen hat China in den letzten 20 Jahren geradezu revolutionäre Sprünge gemacht.
In der gebildeten städtischen Bevölkerung gibt es mittlerweile ein durchaus westliches materielles Anspruchsdenken (inkl. Eigentumswohnung und Auto). Das statistische geringe Durchschnittseinkommen sagt wenig aus über die tatsächlichen finanziellen Verhältnisse der einzelnen Familien. So gibt es bei staatlichen Angestellten häufig Benefits (z.T. beträchtliche Zulagen anlässlich von Feiertagen, vergünstigte Wohnungen, subventionierte Ferien, u.a.), die im offiziellen Einkommen gar nicht auftauchen, dieses bisweilen aber deutlich übersteigen.
Das Einkommen von Selbständigen ist oft gar nicht genau erfassbar.

In einer Stadt wie Shanghai dürften 500,00 € pro Monat die Untergrenze sein, um einigermaßen menschenwürdig leben zu können. Die vielen Wanderarbeiter haben natürlich deutlich weniger zur Verfügung, leben dann aber auch wie die Kulis vor 100 Jahren.

Auch in China ist der Globalisierungsdruck angekommen. Millionen Menschen sind de facto arbeitslos oder fühlen sich von Arbeitslosigkeit bedroht. Selbst hochgebildete Akademiker spüren den wachsenden Wettbewerb.
Das Auseinanderbrechen traditioneller Familienbande (in Großstädten leben nur noch Mann, Frau und ein Kind zusammen, Singlehaushalte nehmen rasant zu), das Fehlen tragfähiger sozialer Sicherungssysteme bei gleichzeitigem Streben nach Wohlstand führen zu massiv empfundenem individuellen Stress und Ängsten.

Gleichzeitig gibt es ein nie gekanntes Gefühl von Freiheit und persönlichem Gestaltungswillen. In den Straßen flanieren junge Paare, lachend, modisch angezogen. Die Menschen entwickeln persönliche Wünsche für ein eigenes Glück.
Konkret kann dies heißen, dass die junge Frau aus dem Dorf studiert und dauerhaft in der Stadt leben will. Eine Heirat schiebt sie hinaus, weil sie zunächst Spaß haben will. Später will (wird) sie mit ihrem Mann und einem Kind in einer schönen Eigentumswohnung wohnen. Von ihrem Mann erwartet sie, dass er gut verdient, sich aber auch liebevoll um die Familie kümmert und sich am Haushalt beteiligt. Schließlich ist sie ja auch erwerbstätig.
Zu den Eltern fährt man zu Besuch, unterstützt sie auch materiell, aber man lebt nicht mehr mit ihnen zusammen und möchte dies auch nicht.
Den wachsenden Zuzug in die Städte sowie den Wunsch nach größeren Wohnungen kann man in jeder Stadt anhand der enormen Bautätigkeit beobachten. Hochhaussiedlung um Hochhaussiedlung entsteht. Dabei hat jede Wohnung eine (notwendige) Klimaanlage, was zu enormen Energiekosten führt.
Wie im Westen so wollen auch die meisten Chinesen ihr Auto haben. Da dies erst seit einigen Jahren möglich ist, sieht man in China fast nur neue Autos, die auf ebenso neuen und gut ausgebauten Straßen fahren. Es ist beeindruckend, welche Straßeninfrastruktur in wenigen Jahren geschaffen wurde. Sie kann aber mit dem wachsenden Bedarf nicht mithalten, und so sind Autos z.B. in Beijing kaum noch als Fortbewegungsmittel zu bezeichnen, da man zu fast jeder Tageszeit im Stau steht.
Falls Sie mehr über China wissen wollen, ihre Geschäftskontakte intensivieren oder Ihre MitarbeiterInnen auf internationale Begegnungen und Verhandlungen vorbereiten wollen, sprechen Sie uns an:
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